Grimsdon - Die Stadt der verlorenen Kinder (German Edition) by Abela Deborah

Grimsdon - Die Stadt der verlorenen Kinder (German Edition) by Abela Deborah

Autor:Abela, Deborah [Abela, Deborah]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-04-13T22:00:00+00:00


Kapitel 16

EIN VERDÄCHTIGER AUSFLUG

Es war früher Morgen. Kurz nach der Stunde, zu der die Sonne wieder einmal den Versuch gemacht hatte, die Wolken zu durchbrechen. Der Fluss gurgelte und floss durch die Düsternis – durch die Risse in den Häusern, um abgebrochene Telegrafenmasten und rostende Straßenschilder herum.

Doch sonst war alles still.

Die Tür, die vom Dach in den Palast hineinführte, öffnete sich beinahe geräuschlos. Quentin trat hindurch, bevor er sie vorsichtig hinter sich schloss. Ein kleiner Seufzer der Erleichterung entfuhr ihm – bis ein Lichtstrahl aufleuchtete.

»Wo warst du?« Griffin leuchtete mit einer Taschenlampe in Quentins Augen.

Quentin wich zurück und hielt sich eine Hand gegen die Brust. »Kommt es mir nur so vor, oder macht es dir Spaß, Leute zu Tode zu erschrecken, wenn du sie begrüßt?« Mit der anderen Hand hielt er einen großen Beutel umklammert, den er auf dem Rücken trug. »Und wo hast du die Taschenlampe her?«

»Sie ist aufladbar. Wenn man an der Kurbel dreht, bringt es das Lämpchen zum Leuchten.«

»Griff, du erstaunst mich immer …«

»Wo warst du?« Ein weiteres Licht ging an. Isabella saß auf einem Sofa, den Arm bandagiert, ein zusammengerolltes Seil wie eine Schlange auf ihrem Schoß.

»Unterwegs.«

»Kleine Nachtwanderung?«, fragte Griffin.

»Wie komisch. Wenn du nicht aufpasst, Griffi, dann könntest du fast noch so was wie einen Sinn für Humor entwickeln.«

Quentin wollte weitergehen, doch er wurde plötzlich gestoppt von dem Seil, das ihn wie ein Lasso um den Bauch fesselte.

»Sag uns, wo du warst, oder wir werfen dich vom Dach«, sagte Isabella.

»Wenn du noch stärker an dem Seil da ziehst, werde ich es dir nicht mehr erzählen können.« Er verzog das Gesicht.

»Wo warst du?«, wiederholte Isabella.

»Ich war unterwegs, um etwas zu holen.«

»Von der Drehscheibe?«

»Nicht direkt.«

»Wie, ›nicht direkt‹?«, fragte Griffin.

»Also eigentlich gar nicht.«

Isabella zog das Seil fester. »Du hast dreißig Sekunden, mir zu sagen, wo du warst und was du gemacht hast.«

»Wenn du das Seil lockerst, kann ich es dir zeigen«, keuchte Quentin.

Isabella ging zu ihm und löste das Seil.

Quentin setzte den Beutel ab und rieb sich die Arme. »Du hast mir fast die Durchblutung abgeschnitten.«

Er machte den Beutel auf und zog eine Schinkenkeule heraus, bevor er mit äußerster Vorsicht den Deckel von einer runden Dose hob, in der sich ein üppiger Schokoladenkuchen befand. »Vanilleeis gab es nicht, aber ich hab gehofft, dass Bea mir vergibt. Dafür hab ich noch ein paar andere Sachen da drin.«

»Woher hast du das?«, fragte Isabella.

Quentin zuckte die Schultern. »Von hier und da.«

»Du hast in einer Stadt, die seit drei Jahren überflutet ist, einen frischen Schokoladenkuchen gefunden?« Griffin kniff misstrauisch die Augen zusammen.

Quentin zögerte. »Ich war außerhalb von Grimsdon. Dort, wo es nicht mehr überflutet ist. Der Kuchen stand auf einer Fensterbank und wartete nur darauf, von mir mitgenommen zu werden.«

Griffin und Isabella tauschten einen Blick.

»Und wie bist du da hingekommen?«, hauchte Isabella.

»Mit dem Aerotrop.« Er zog eine Messingscheibe aus der Tasche. »Ich habe eine Karte und diesen Kompass hier benutzt. Vor der großen Flut war ich ziemlich gut im Orientierungslauf.«

»Und wie ist es da so?« Griffin drückte seine bandagierte Hand gegen die Brust.

Quentin gab sich Mühe, ganz locker zu antworten.



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